Heutige Begleiterin beim Walk in den Wald ist eine wunderhübsche Baldina aus dem Jahr 1935. Vom kleinen Hersteller Balda aus Dresden als Konkurrentin zur ein Jahr zuvor erschienenen Kodak Retina auf den Markt gebracht, war sie damals eine topmoderne kompakte Klapp-Sucherkamera. Ausgestattet war sie mit einem superscharfen und lichtstarken Objektiv, dem erst 1931 neu gerechneten Tessar 2.8 5 cm von Carl Zeiss Jena, und dazu dem schnellsten Verschluss auf dem Markt, dem erst in diesem Jahr vorgestellten Compur Rapid der Firma Friedrich Deckel aus München mit bis zu einer 1/500 Sekunde Belichtungszeit. (Es gab sogar Versionen mit fünflinsigem Schneider Xenar 2.8 5 cm und sechslinsigem Schneider Xenon 2.0 5 cm, Zeiss Biotar 2.0 4,5 cm und Rudolph Kleinbild-Plasmat 2.7 5 cm.)
Dazu gab es eine Ausstattung vom Allerfeinsten: automatischer Bildzähler (ein rotierender Pfeil hinter einer bezaubernden runden Klappe, ähnlich einer Taschenuhr), eine Doppelbelichtungssperre, ein mechanischer Parallaxenausgleich für Nahaufnahmen unter dem Sucher, ein Gehäuseauslöser, eine Tiefenschärfe-Tabelle auf der Rückwand und ein seitlicher Tragegriff. Alle blanken Metallteile waren hochwertig goldfarben vernickelt. Die Bereitschaftstasche aus Leder und verchromtem Metall war von allerbester Qualität und bot sogar ein aufklappbares Fenster, um durch eine transparente Plastikfolie die Tiefenschärfetabelle ablesen zu können. Schon von den Daten her ein Spitzenprodukt. (Was sie dagegen, typisch für ihr Produktionsjahr, nicht hat: Entfernungs- und Belichtungsmesser. Beides musste man, wie noch jahrzehntelang in der Amateurfotografie durchaus üblich, schätzen.)
Doch die wahre Revolution sitzt im Inneren. Nach der erwähnten Kodak Retina war sie die zweite Kamera, die für die damals brandneuen Einweg-Filmpatronen konstruiert wurde, die sich in den folgenden Jahren rasant über die Welt verbreiten sollten und bis heute gebräuchlich sind. Erst mit diesen Patronen konnte jedermann und jedefrau zum Kleinbildfotografen werden, ohne erst in der eigenen Dunkelkammer Film zurechtschneiden und aufrollen zu müssen. Der 35-mm-Kinofilm, den zuvor nur die Profikameras Contax und Leica verwendeten, wurde erst damit zum meistbenutzten Filmformat aller Zeiten. Und blieb es für Jahrzehnte, bis die Digitalfotografie ein neues Zeitalter einläutete.
Mit diesen allerersten Jackentaschen-Kameras begann der wahre Siegeszug der Fotografie als Massenmedium. So ist denn beim heutigen Ausflug auch ein normaler Kodak Gold 200 aus dem Rossmann-Drogeriediscounter an Bord. Ein völlig alltäglicher Einsatz in einer Kamera aus den allerersten Tagen der Kleinbildfotografie. Einer Kamera, die mit fast 90 Jahren noch so gut wie neu aussieht.
Sucherkameras – also Kameras ohne Messsucher zum Scharfeinstellen des Motivs – waren mir immer suspekt. Wenn man nicht mit offener Blende und geringer Tiefenschärfe spielen kann (so wie oben im Bild, das mit einer Sony A7C bei Blende 4 aufgenommen wurde), weil man den scharfen Bildbereich zu Sicherheit lieber zwei, drei Meter tiefer einstellt, dann macht das Fotografieren keinen Spaß. Blende 8 und alles scharf kann ja jeder. Dachte ich.
Heute habe ich zum ersten Mal einen 200er Fomapan in die frisch überholte Rollei 35 gespult (wie einfach das geht) und sie mit zu einem Fotowalk durch Aachen genommen. Okay, wie oft ich mit dem Entfernungschätzen falsch gelegen habe, werde ich noch sehen, wenn die Bilder fertig sind. Aber einen Heidenspaß hat es gemacht. Der Zigarettenschachtelgroße Winzling von 1966 ist ein Wunderwerk feinmechanischer Präzision. Alles passt, klickt, ratscht und rastet so perfekt ein, dass es eine Freude ist. Erst jetzt verstehe ich, warum diese Klitzekamera jahrzehntelang so ein Riesenerfolg war. Auch wenn es im Angesicht des Motivs heißt: Schätzen, nicht Scharfstellen.
…ist eine französische Landstraße, dachte ich 2009 auf der Rückfahrt von San Sebastian irgendwo zwischen Narbonne und Beziérs in Südfrankreich, gemütlich auf Marits Rücken durch die Weingüter tuckernd („Baskenblog“ hieß der Reisebericht damals. Was für eine Mühe ich mir damals gegeben habe!).
Das Paradies sind die Ardennen vielleicht nicht, aber schöne Momente gibt es auch hier. Und sogar zu Fuß.
Ein großer Vorteil gegenüber dem Joggen: Man kann mal für ein Foto stoppen, ohne gleich in heftige Gewissensverwindungen wegen des sinkenden Pulses zu verfallen.
Ansonsten ist es ein brauchbarer Ersatz. Jahrelang war ich durch den Öcher Bosch gejoggt – bis das Ziepen im Knie so fies wurde, dass ich mich unters MRT legte (nein: hinein). Und man mir einen Knorpel diagnostizierte, oder so ähnlich. Danach war’s Essig mit dem Joggen. Nun also Walking. Wenn man den verletzten Stolz beim Grüßen entgegentrabender Läufer herunterschluckt, macht es durchaus Spaß. Und zum Eschweiler Stadtwald kann man sogar zu Fuß gehen. Nein, Verzeihung: walken.
Er war lange weg. Wurde zerlegt. Zerschnitten. Geschweißt. Zusammengebaut. Bezahlt. Zerlegt. Abgeschliffen. Lackiert. Zusammengebaut. Bezahlt. Jetzt glänzt er wieder wie frisch mit Schokolade überzogen. Und als Krönung hat er wieder „sein“ selbstgebautes Typenschild 240CD. On the Road again. Darauf ein sonniges Feierabendgetränk in einem schönen Biergarten.
Plötzlich bin ich wach. Es ist mitten in der Nacht. Im Schlafzimmer ist es stockdunkel. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich richtig zu mir gekommen bin. Das Fenster steht auf Kipp, die Luft ist frisch im Raum. Es ist still. Doch dann höre ich das Geräusch wieder. Das Geräusch, das mich schlagartig hellwach gemacht hat.
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Es ist ein leises Sägen. Rrrrtsch-rrrtsch, rrrtsch-rrrtsch, rrrtsch-rrrtsch. Schnell, rhythmisch, verstohlen. Jemand sägt da draußen, mitten in der Nacht. Wer ist da zugange? Und woran?
Eine Erinnerung taucht auf, aus meiner Zeit in Köln. Ein langer mehrstöckiger Wohnhausriegel, dahinter Gärten. Und dahinter wiederum Gärten und die Rückwand des Wohnriegels in der nächsten Straße. Eines späten Abends, ich lag schon im Bett, plötzlich ein Schreien aus dem Dunkel hinterm Haus: „Halt! Stehenbleiben, oder ich schieße!“ Zum Fenster gestürzt. Im gegenüberliegenden Garten, vor einer Terrassentür des anderen Hauses, standen Polizisten mit gezogenen Pistolen. Taschenlampen leuchteten. In der Mitte zwei Menschen, regungslos.
Auf der Straße versammelten sich die Nachbarn. Es stellte sich heraus, dass man Einbrecher auf frischer Tat ertappt hatte. Sozusagen direkt vor unserem Wohnzimmerfenster – und den Wohnzimmerfenstern von mehreren Dutzend weiterer Bewohner unseres Hausriegels. Die Inhaber der betroffenen Wohnung waren übers Wochenende weggefahren. Betroffenheit. Wer hätte gedacht, dass diese Kriminellen heutzugage derartig dreist…? Aber wer guckt schon abends in den dunklen Garten gegenüber.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich leise aufstehe. Sägt da jemand unseren Rollladen durch? Einen Griff an der Balkontür? Ein Einbruch? Bei uns? Die Brille auf dem Nachtisch, das Handy. Auf den Flur. Lauschen. Nichts. Jetzt das Licht an! Ein Blick die Treppe hinunter: Im Erdgeschoss huscht etwas Braunes aus dem Sichtfeld. Jetzt ist das Adrenalin im Blut auf Anschlag. Vorsichtig, Stufe für Stufe, jeden Nerv angespannt. In der Küche sitzt die Katze auf der Arbeitsplatte. Und miaut, hungrig. Und auch sonst ist alles: wie immer. Ein Mensch, ein Tier, sonst niemand.
Ein Blick auf die Uhr. Es ist gar nicht mitten in der Nacht. Es ist schon halb sieben Uhr morgens. In ein paar Minuten wäre ich sowieso aufgestanden. Noch einmal vergewissert, dass niemand im Haus ist, der nicht hingehört. Der Katze Futter in den Napf getan. Dann die Rollläden hochgefahren. Und schon steht Katze Nummer Zwei vor der Balkontür. Aufgemacht, bitteschön, immer herein, der Herr. Kalte Morgenluft streicht um die Knöchel.
Und da ist es wieder. Das Sägen. Rrrtsch-rrrtsch. Es mischt sich mit dem Schmatzen der beiden Katzen. Es kommt von der Straße her, wo Rauhreif den Bürgersteig und die geparkten Autos überzuckert hat. Eine Frau steht vor einem Wagen. Und kratzt Eis von der Windschutzscheibe. Rrrtsch-rrrtsch.
Erleichterung. Es war also tatsächlich ein Einbruch. Wenn auch keiner, der überraschend kam. Es war nur ein kleiner Wintereinbruch.
Genau einen Euro auf Ebay kostete diese fast makellos erhaltene Zeiss Ikon Contessa Matic aus der Zeit von 1960 bis -63. Belichtungsautomatik, gekuppelter Entfernungsmesser, gekuppelter Belichtungsmesser (beide funktionieren!), Leuchtrahmensucher mit eingespielter Belichtungsanzeige, Zeitauslöser, Filmmerkscheibe, Springkurbel, Prontor-SLK-Zentralverschluss mit zehn Zeiten (sogar die Sekunde scheint noch zu stimmen) und etliche andere Schnuckeligkeiten kennzeichnen diese Kompakte als Oberklassenmodell. Nur Ösen für einen Tragegurt sucht man vergeblich.
Auch wenn sie sich in ihrer schmucklosen Boxform mit den leicht abgerundeten Kanten und dem großem Querfenster für Entfernungsmesser, Sucher und Selen-Belichtungsmesser sowie dem vierlinsigen Tessar-Objektiv äußerlich wie innerlich kaum absetzt von ihren vielen damaligen westdeutschen Konkurrentinnen von Agfa, Adox, Balda, Dacora, Kodak, Regula, Voigtländer und wie sie alle hießen: ein kleines Schmuckstückchen. Erstaunlich, dass niemand sonst sie haben wollte. Und eine Originaltasche mit Tragegurt war auch noch dabei – anstelle der Ösen.
Ich dachte, als Sony-Nutzer seit 2013 kenne ich das (zugegebenmaßen verschlungene) Menü der Alpha-Kameras ganz gut. Doch als ich heute die Festung Sedan mit dem Sony Zeiss 1.8 24 fotografieren wollte, fror erst das Objektiv und dann das Blut in meinen (zugegebenermaßen verkalkten) Gefäßen. Blende und Verschlusszeit ließen sich partout nicht mehr einstellen, weder im M-Modus, noch auf S oder A. Verzweiflung machte sich breit, war die noch neue Kamera kaputt oder das gebraucht gekaufte Edelobjektiv? Weder Ausschalten, Moduswechsel, noch Akkuentzug halfen.
Erst wieder zu Hause, nach langem Tauchgang in den Menüsparten und kurz vorm Drücken der infamösen Werkseinstellungs-Taste, fand ich schließlich die Funktion, mit der Sonys Ingenieure etwas Abwechslung in den allzu eintönig-perfekten Arbeitstag des Alphatiers bringen – und selbiges Demut lehren wollen. „Regler-/Radsperre“ heißt sie und bewirkt, dass man Rädchen rotierenlassen und Fluchen kann wie man will, ohne einen Einfluss aufs Bild nehmen zu können.
Was mag ihr Sinn wohl sein? Den Nutzer bei irrtümlicher Betätigung mal wieder zur intensiven Benutzung des Menüs zu zwingen? So wie allzu routinierte Beziehungen angeblich der eine oder andere Knatsch samt folgender Aussprache gut tun soll? Wenn das der Fall sein sollte: Danke, Sony, dann können die Alpha und ich den vor uns liegenden Urlaub ja mal locker auf uns zukommen lassen. Nach heute kann es nur besser werden.
[Okay, hier noch die humorfreie Auflösung des Rätsels, die ich später in einer Facebookgruppe aufgeschnappt habe: Längeres Drücken der Fn-Taste für das Funktionsmenü aktiviert und deaktiviert die Sperre. Sie dient wohl dazu, versehentliche Verstellungen zu vermeiden, etwa im Dunkeln.]
Rolleis letzte klassische Spiegelreflexkamera, die SL35E. Das Objektiv ist das Rolleinar-MC 1.4 55.
Es gibt Objektive, die geben Rätsel auf. Warum wurden sie entwickelt, welche Kunden sollten sie ansprechen, warum wurden sie so konstruiert, gebaut und vermarkte, wie sie es wurden? Für mich ist mein Rolleinar-MC 1.4 55 so ein Objektiv. Wir kennen es schon mit leicht geänderter Fassung als Voigtländer Color-Ultron 1.4 55 AR aus dem Beitrag „Schwanengesang“.
Um zu erklären, was daran so seltsam ist, müssen wir tief eintauchen in das letzte Kapitel der Geschichte der Firma Rollei. Wie fast die gesamte deutsche Kameraindustrie kam Rollei, in den Nachkriegsjahrzehnten weltweit bekannt geworden durch seine hochwertigen Mittelformatkameras, Ende der 1960er Jahre in Schwierigkeiten. Die lange konkurrenzlosen zweiäugigen Spiegelreflexkameras aus Braunschweig für das Mittelformat verkauften sich immer schlechter, die Japaner stürmten auf den Markt. Die bahnbrechend moderne, handliche und ausgereifte Pentax Spotmatic mit Belichtungsmessung durch das Objektiv (TTL) war ab Mitte der 1960er Jahre der Stand der Dinge, an dem sich die Konkurrenz messen lassen musste. Die deutsche Konkurrenz wirkte plötzlich antiquiert – ob lichtschwache Zentralverschlusskamera wie Voigtländer Bessamatic, überkomplexes Premiumprodukt wie Zeiss Contarex oder nicht mehr weiter entwickelbare Oldtimer wie die Exakta von Ihagee Dresden, einstmals die beste Kleinbild-Spiegelreflex der Welt, oder die rustikale Edixa von Wirgin aus Wiesbaden, der VW Käfer unter den Spiegelreflexen.
Doch während der mittelständische Henry Wirgin freiwillig auf die Schlacht um Neuentwicklungen und Stückzahlen gegen die Riesen aus Fernost verzichtete, während Zeiss-Ikon den Kamerabau durch miserables Management vor die Wand knallte und die DDR die Ihagee nach verlorenen ost-westdeutschen Patentscharmützeln sang- und klanglos auslaufen ließ, ging Rollei (wie auch in der DDR Pentacon mit seiner Praktica) in die Offensive. In rekordverdächtig kurzer Zeit wurde die Rolleiflex SL35 entwickelt, eine bildschöne und absolut brauchbare Kamera, wenn auch technisch ohne Highlights.
Zuvor hatte der stürmische junge Firmenchef Dr. Heinrich Peesel mit der weltkleinsten Kleinbildkamera Rollei 35 E, entwickelt vom genialen Heinrich Waaske, einen Riesenerfolg hingelegt. Mit diesem Rückenwind stieg man in den hochumkämpften Markt der einäugigen Spiegelreflexkameras ein – und zwar ganz groß. Denn Rollei wollte vom Nischen- zum Massenhersteller aufsteigen und hatte schon Anfang der 1970er Jahre in Singapur eine gigantische Fabrik errichtet. Darin sollten bis 1980 einmal 10.000 Mitarbeiter tätig sein, hatte man der Regierung des Stadtstaates zugesichert. Der Gedanke, die Produktion wegen der höheren Lohnkosten ins Ausland auszulagern, lag nahe. Auch Leica ließ Kameras in Portugal und Objektive in Kanada bauen, selbst der ostdeutsche VEB Pentacon setzte beim Objektivbau auf das Billiglohnland des Ostblocks, Rumänien.
Zunächst ging bei Rollei auch alles nach Plan: Die Fertigung der SL35 wurde, nachdem rund 24.000 Stück in Deutschland gebaut worden waren, nach Singapur verlagert, wo weitere 120.000 Exemplare entstanden. Nun wäre das 1974 vorgestellte Nachfolgemodell SL350 reif für eine Massenproduktion in Singapur gewesen. Es war genauso attraktiv gestaltet wie die SL35 und mit zeitgemäßer Offenblendmessung (dabei blickt der Fotograf immer durch einen hellen Sucher), mechanischer Blendenautomatik und integriertem Blitzschuh wesentlich besser ausgestattet. Mit ihr schien Rollei auf dem Weg zu sein, den Japanern endlich Paroli bieten zu können. Der Verkauf lief allerdings eher schleppend an, angeblich wurde die Kamera auch schlecht oder kaum vermarktet.
Doch dann passierte etwas von der Fachwelt Unerwartetes: Nach der Herstellung der ersten Serie von rund 7800 Kameras in Braunschweig wurde die SL350 völlig überraschend ersatzlos eingestellt, die geplante Produktionsverlagerung nach Asien wurde abgeblasen. In der Rollei-Führung soll es einen internen Konflikt um die Kamera gegeben haben – die 1971 von Voigtländer übernommenen Konstrukteure stießen sich angeblich daran, dass ihre Rollei-Kollegen im SL350-Gehäuse aus Platzmangel Seilzüge verlegt hatten. Mit Hilfer winziger Umlenkrollen wurden so die Werte für Blende, Belichtungszeit und Filmempfindlichkeit im Sucher angezeigt – eine sehr ungewöhnliche, aber keineswegs einzigartige Lösung (auf klassik-cameras.de gibt es Bilder davon). Auch die Hunderttausendfach verkauften und bewährten „Kodak-Kameras „Retina Reflex“-Kameras von Kodak funktionierten mit Seilzügen. Die SL350 war nun einmal noch komplett mechanisch (bis auf die Knopfzelle für den Belichtungsmesser), platzsparende Elektronik kam erst ein paar Jahre später.
Und so kam es, dass die Weiterentwicklung der schlanken, schönen SL350 abgebrochen wurde. Stattdessen wurde eine völlig andere Kamera aus der Versenkung geholt und in die Massenproduktion nach Singapur geschickt: die letzte eigene Voigtländer-Konstruktion aus der Zeiss-Ära, die mittlerweile rund fünf Jahre alte, 1971 vorgestellte Zeiss Ikon SL706, die Nachfolgerin der Icarex. Diese schwere, klobige und im Vergleich grobschlächtig anmutende Kamera, wenn auch mit Offenblendmessung durchs Objektiv zumindest zeitgemäß ausgestattet, war schon unter Zeiss-Regie am Markt gescheitert. Jetzt wurde sie von Rollei erneut als Voigtländer VSL-1 angeboten. Als Rolleiflex SL35M erschien eine Schwesterversion, optisch etwas durch ein abgerundetes Prisma aufgehübscht. Der nicht wirklich attraktive Brocken floppte, wenig überraschend, prompt ein zweites Mal. Nicht besser erging es den innerlich, aber nicht äußerlich überarbeiteten Nachfolge-Geschwistern VSL-2 und Rolleiflex SL35ME mit Zeitautomatik, die zudem Elektronikprobleme hatten.
Jetzt geriet die ganze Rollei-Offensive ins Stocken. Durch die von Heinrich Peesel forcierte Produktoffensive auf allen Kanälen und unrealistische Zeitvorgaben waren die Entwickler völlig überfordert. Etliche Rollei-Produkte wurden unausgereift auf den Markt geworfen oder wiesen konzeptuelle Fehler auf wie die Mini-Kamera Rollei 16, für die kein Filmhersteller Filmmaterial anbieten wollte. Durch die völlig überdimensionierten Produktionsanlagen in Fernost liefen währenddessen die Kosten aus dem Ruder. Auch die 1977 vorgestellte, nun wieder attraktiv geratene Rolleiflex SL35E und ihre Schwester Voigtländer VSL3-E konnten das Blatt nicht mehr wenden. Peesel wurde schon 1974 geschasst, seine Nachfolger agierten ohne Fortune, die Lage wurde zusehends schlechter.
Aber was hat das alles mit dem Rolleinar-MC 1.4 55 zu tun? Einer der besten Gründe, sich für eine Rolleiflex zu entscheiden, waren von Anfang an die Objektive. Konstruiert von Zeiss und Schneider-Kreuznach, gehörten sie zum Besten, was es am Markt gab – schon das Standardobjektiv, das siebenlinsige Planar 1.8 50, ist bis heute zu überragenden Leistungen fähig. Dazu gab es Hochleistungsobjektive wie das Distagon 1.4 35, Planar 1.4 50 oder Planar 1.4 85. Fotografen und Sammlern lecken sich die Finger nach ihnen. Die gängigsten Brennweiten fertigte Rollei ab etwa 1972 in Lizenz auch selbst in Singapur, erkennbar an dem hübschen roten Rollei-Logo im Frontring und der Kennung HFT für die „High Fidelity Transfer“-Vergütung. Allerdings blieben einige Lücken im Angebot. Einige beliebte Brennweiten wurden von Zeiss nie für das Rollei-Bajonett angeboten, etwa 20/21 Millimeter, 28 Millimeter, 100/105 Millimeter und alles über 200 Millimeter (die gab es bei Zeiss alle erst später in der Contax/Yashica-Ära). Auch auf die immer beliebter werdenden Zooms mussten Rolleiflex-Nutzer vorerst verzichten.
Was Rollei außerdem fehlte, waren billige Objektive für den Massenmarkt. Dieses Angebot hätte vielleicht von Schneider-Kreuznach kommen können, doch die drei 1970 zur Rolleiflex SL35 angebotenen Objektive Angulon 2.8 35, Xenar 1.8 50 und Tele-Xenar 3.5 135, allesamt alte Bekannte, wurden kein Erfolg. Schneider zog sich danach aus dem Markt für Kleinbildobjektive zurück und beteiligte sich auch nicht, wie von Rollei gehofft, an der Fabrik in Singapur, die ursprünglich „German Optical“ heißen sollte. Enna München, ebenfalls ein in die Krise geratener Objektivhersteller, hat offenbar noch eine Mini-Serie 28-Millimeter-Weitwinkel mit QBM-Bajonett vorgestellt. Auch er zog sich aber vom Markt zurück. Rollei stand alleine da.
Um auf die dringend nötigen hohen Stückzahlen zu kommen, brauchte Rollei neben den fehlenden Brennweiten offenbar unbedingt eine Preisgünstig-Linie. Die Zeiss-Objektive sollten zweifellos Premiumlinsen bleiben. Offen bleibt die Frage: Warum baute man in so einer Situation die Billigobjektive nicht einfach selbst, statt sie für teures Geld einzukaufen? Hatte man keine geeigneten Konstruktionen zur Hand? Im Konzernregal lagen noch die ab 1965 zur Icarex-Kamera angebotenen, alten Bessamatic-Objektive wie Skoparex 3.4 35, Skopar/Tessar 2.8 50 oder Dynarex 3.4 90. Sie stammten konstruktionstechnisch noch aus den späten 1950er Jahren und wären jetzt, Mitte der 1970er, wohl nicht mehr auf großen Zuspruch gestoßen. Einzig das alte Voigtländer Super-Dynarex 4 135 erfreute sich in neuer Rollei-Hülle als Carl Zeiss/Rollei Tele-Tessar 4 135 oder unter seinem alten Namen größerer Beliebtheit. Es war das meistgekaufte Zusatzobjektiv und sollte noch bis in die 1980er Jahre angeboten werden, zuletzt zur Rollei SL2000/3000.
Vielleicht lief Rollei einfach die Zeit davon: Schnell eine eigene, moderne Objektivreihe aus dem Boden zu stampfen, hätte wohl einfach zu lange gedauert. Die hauseigene Objektiventwicklung von Voigtländer scheint nach dem grandiosen Icarex-Ultron 1.8 50 keine Neukonstruktionen mehr gerechnet zu haben, bis Zeiss-Ikon das Unternehmen an Rollei übergab. Wurde diese Abteilung von Rollei einfach wegrationalisiert? Blieben die Ingenieure bei der Konzernmutter Zeiss? Wenn dem so war, rächte sich für Rollei die Abhängigkeit von Zeiss nun womöglich.
So oder ähnlich mag es gekommen sein, dass der im April 1975 nach achtmonatiger Vakanz an der Unternehmensspitze eingestellte Nachfolger Peesels, der frühere Canon-Manager Peter C.J. Peperzak, mit dem japanischen Hersteller Mamiya Kontakt aufnahm. Er bestellte eine komplette Objektivfamilie samt Fischauge, 200er und Zoom-Objektiven, die Rollei dann unter eigenem Namen als „Rolleinar-MC“ und „Voigtländer AR“ anbot. Gegenüber den Zeiss-Objektiven sind sie gut zu unterscheiden an den auffälligen eingravierten Brennweitenangaben in geschwungener gelber Schrift, die sehr der auf den Leica-Objektiven dieser Zeit ähnelt. Auf ihrer Rückseite steht „Made in Japan“. Immerhin war nun mit den Brennweiten 14, 21, 28 und 105 Millimetern das ehemalige Zeiss-Angebot sinnvoll ergänzt. Andere Brennweiten wie 35, 85, 135 und 200 Millimeter waren dagegen jetzt bis zu dreifach besetzt, wobei die – im übrigen optisch teilweise sehr guten – Mamiya-Rolleinare als Einsteigermodelle angeboten wurden. Im Normalbereich gab es mit den Zeiss-Planaren 1.4 50 und 1.8 50 sowie den Rolleinaren 1.4 55 und 2.0 50 sogar gleich vier Objektive zur Auswahl. Und mit den gleichzeitig bei Tokina zugekauften Zoom-Objektiven 4 28-85, 3.5 35-105 Macro (später 3.5-4.3 35-105 Macro) und dem klassischen 4 80-200 hatten auch Vario-Fans ein Argument, sich für eine Spiegelreflexkamera von Rolleiflex/Voigtländer zu entscheiden.
Aber was für eine bizarre Situation: Ein Kamerahersteller hat sich eine nagelneue riesige Fabrik für Tausende von Arbeitern gebaut, die nur zu kleinen Teilen ausgelastet ist und deren Betrieb ihn allmonatlich ein Vermögen kostet. Und bezahlt dennoch Konkurrenten dafür, Objektive in großen Stückzahlen zuzuliefern. Erst 1979 bemühte sich Rollei darum, die ungenutzten Produktionskapazitäten durch Fremdaufträge besser auszulasten, was aber kaum noch zum Tragen kam. Es gibt tatsächlich Mamiya-Rolleinare mit dem Aufdruck „Made in Singapore“. Ob sie als Fremdaufträge aus Japan dort gebaut wurden, entzieht sich meiner Kenntnis, große Stückzahlen liefen aber offenbar nicht mehr von den Rollei-Bändern.
Die Rollei-Chefs werden aus ihrer Sicht nachvollziehbare Gründe für dieses Konstrukt gehabt haben, erklärbar ist es aus heutiger Sicht aber eigentlich nur durch blanke Zeitnot, gravierende Konzeptmängel in der eigenen Produktpalette – oder schlichte Kopflosigkeit. Und den Rollei-Konkurs 1981 hat es nicht verhindert. Peperzak, der Initiator des Mamiya-Abenteuers, musste schon 1978 gehen. Kurze Zeit später kam die Insolvenz.
Nach diesem Exkurs in das turbulente letzte Jahrzehnt eines großen deutschen Kameraherstellers wieder zurück zum Rolleinar-MC 1.4 55. Es hat, wie kürzlich beschrieben, ebenfalls eine bewegte Geschichte. In seinem Inneren steckt eigentlich das alte Planar 1.4 55, von Johann Berger 1959 für die Zeiss-Spitzenkamera Contarex gerechnet. Zeiss hatte das entsprechende Patent auslaufen lassen, da das neue Planar 1.4 50 des genialen Erhard Glatzel von 1972 in jeder Hinsicht besser war. Rollei konnte die fast 20 Jahre alte Konstruktion nachbauen lassen, ohne Lizenzgebühren zu zahlen.
Und so steht es hier vor uns: 1975 als billige Alternative zum neuen Zeiss-Planar 1.4 50 angeboten, war es eine schon damals ältere Konstruktion. Auf dem Papier kann es mit beeindruckender Lichtstärke aufwarten, aber in der Praxis überstrahlt es bei Blende 1.4 doch arg. Abgeblendet wird es hervorragend scharf und das Bokeh ist von beeindruckender Cremigkeit – heute schätzte man solche Objektive wieder sehr als „Charakterlinsen“. Damals sollte es den preisbewussten Kunden ansprechen.
Warum aber baute Rollei dann nicht zumindest dieses Objektiv in den eigenen Hallen in Singapur? Es war immerhin ein hochlichtstarkes Normalobjektiv, eines also, mit dem viele SL35E und VSL3-E ausgeliefert würden. Und es war – im Gegensatz etwa zu den von Mamiya konstruierten Rolleinaren 2.8 105 oder dem 3.5 200 – eine komplett „eigene“ Konstruktion, über die man selbst verfügen konnte. Ebenso übrigens wie das ebenfalls neu hinzugekommene lichtschwache Einsteigerobjektiv der Rolleinar-Serie, das 2.0 50, das wohl ebenfalls auf ein altes Zeiss-Planar zurückgeht. Stattdessen aber ließ Rollei auch diese beiden Objektive in Japan herstellen.
Und um die Sache weiter rätselhaft zu machen, ist sogar auf den Schaubildern in den Betriebsanleitungen beider Kameras stets das Rolleinar/Voigtländer 1.4 55 abgebildet. Ja genau, das zum überwiegenden Teil vom Konkurrenten Mamiya aus Japan zugelieferte Objektiv und nicht etwa das in der eigenen Fabrik in Lizenz gebaute, viel modernere und leistungsstärkere Rollei-Planar 1.4 50 HFT! Mehr noch: In der Betriebsanleitung werden als Wechselobjektive nur die japanischen Rolleinare erwähnt, als gäbe es die eigenen, hochwertigeren Zeiss-Lizenzbauten gar nicht. War die Begeisterung für die zugekauften Mamiyas so groß, dass man die eigenen Produkte unter den Tisch fallen ließ?
Doch es geht noch weiter. Mein Exemplar des 55ers trug nämlich nicht den ovalen goldenen „Passed“-Aufkleber des Japan Camera Inspection Institute (JCII), der noch heute auf so vielen Objektiven und Kameras aus den 1970er Jahren klebt und die bestandene Qualitätsprüfung signalisiert. Mein Rolleinar ist auch nicht „Made in Singapore“, wie es die Positionierung am Markt als günstiges Standardobjektiv hätte vermuten lassen. Es ist, weshalb auch immer, „Made in Germany“ (nicht „West Germany“ wie mein Voigtländer Color-Ultron). Warum – tja, das bleibt wohl ewig ungelöst. War es eine Vorserie, bevor die Produktion an Mamiya übergeben wurde? Eine Nachproduktion nach dem chaotischen Ende des Fernost-Abenteurers? Ein Billigobjektiv mit deutschen Premium-Wurzeln, das sinnvollerweise in Singapur hätte gebaut werden können, stattdessen aber serienmäßig meist von einem Konkurrenten aus Japan kam, existiert in einer im Hochlohnland Deutschland zusammengeschraubten Variante. Geht es noch bunter?
Die Geschichte der Katastrophe der westdeutschen Fotoindustrie in den 1970ern ist voller Dramen. Es gab mutige Entwürfe und technische Höchstleistungen, katastrophale Fehlentscheidungen und versäumte Gelegenheiten, es gab kundenfeindliche Bräsigkeit und unternehmerischen Größenwahn, Spitzenprodukte und Schrott ab Werk. Es gab heute längst vergessene Kameras wie die bizarre Edixa Electronica, die einsame Regula Reflex, die gescheiterte Exakta Real und die geniale Rolleimatic mit der Klapp-Schwinge, bei der schon die Präsentation zum Desaster wurde. Es gibt noch heute berühmte Superobjektive wie das Zeiss-Distagon 2 28 (genannt „Hollywood“, weil Filmregisseure es lieben) und das hochwertige Shift-Objektiv Schneider PC-Curtagon 2.8 35.
Und am Rande des Schlachtfeldes, unbemerkt in den Schatten, blühen so seltsame Orchideen wie das Rolleinar-MC 1.4 55 aus Germany. Nicht das beste Objektiv aller Zeiten, nicht einmal ein besonders herausragendes Objektiv zu seiner eigenen Zeit, aber ein bemerkenswerter Sonderling. Und mit seiner buntgescheckten Biographie durchaus typisch für die chaotische Epoche, in der er entstand.